In Zug ist Kohle ein Tabuthema

© Adrià Budry Carbo / Public Eye
Gemäss dem Zuger Anwalt Hans-Rudolf Wild hat die IMR Holding, die von ihm präsidiert wird, die Kohlemine inmitten des indonesischen Regenwaldes abgestossen. Doch gemäss Recherchen von Public Eye wurden die Aktien zwar an eine undurchsichtige juristische Person in Singapur übertragen. Das Unternehmen gehört aber eindeutig zum IMR-Netzwerk.

Angeblich wollte er die Kohlemine veräussert haben. Im Februar 2022 erklärte der Zuger Anwalt Hans-Rudolf Wild, dass die Gruppe, deren Verwaltungsrat er vorsteht – die IMR Holding, die in demselben Gebäude wie seine Kanzlei ansässig ist –, ihre Anteile an PT Borneo Prima verkauft habe. Das indonesische Unternehmen betreibt eine Mine im Herzen des Regenwaldes von Borneo, die jährlich mehr als 2 Millionen Tonnen Kohle produziert. Die Regierung in Jakarta hatte sich zusammen mit Malaysia und Brunei verpflichtet, dieses Gebiet mit bedrohten Arten und Pflanzen zu schützen. 

In Wirklichkeit hat die IMR Holding unter dem Druck des Bruno Manser-Fonds und der Recherchen des «SonntagsBlick» ihre Beteiligung von 49% auf eine Tochtergesellschaft der gleichen Gruppe übertragen, die IMR Asia Holding in Singapur. Dies geht aus den Daten der Handelsregister von Indonesien und Singapur hervor, die Public Eye einsehen konnte.  

«Wir sehen keinen Grund für eine weitere Offenlegung» 

Gegenüber Public Eye bestätigt Hans-Rudolf Wild lediglich die Änderung der Eigentümerschaft; über die Gründe für die Transaktion, den Zeitpunkt oder den möglichen Verkaufspreis will er nicht sprechen. «Weitere Informationen in diesem Zusammenhang sind Geschäftsgeheimnisse und wir sehen keinen Grund, diese offenzulegen. Da die IMR Holding AG ihre Beteiligung an PT Borneo Prima aufgegeben hat, ist es nicht mehr ihre Sache, Ihre Fragen zu beantworten», schrieb der vielbeschäftigte Anwalt, der Direktor, Verwaltungsratspräsident oder Geschäftsführer von 45 Unternehmen ist (Stand Anfang Juni). Auch am Sitz der IMR Asia Holding in Singapur war es anscheinend niemands «Sache», die an die allgemeine E-Mail-Adresse enquiries@imr-resources.com gesandten Fragen zu beantworten. 

Gemäss Medienberichten gehört die Singapurer Holding zur IMR Metallurgical Resources in Zug, die ebenfalls von Wild präsidiert wird. Sie ist an zwei Standorten in Zug präsent. In der Dammstrasse 19, der offiziellen Adresse im Handelsregister, wo die Gruppe bei der Kanzlei von Anwalt Wild ihren Briefkasten hat, und an der Zugerstrasse 74, wo auch die Holding zuhause ist, aber niemand an die Sprechanlage geht. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass die Direktoren von IMR auf ihren Briefkästen Aufkleber angebracht haben, die besagen, dass sie «keine Werbung» wünschen. 

Anwalt Wild weigerte sich, eine lange Liste von Fragen über die Umweltauswirkungen der Kohlemine und seine Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt zu beantworten, betonte jedoch, dass die 2004 gegründete IMR Gruppe keine Briefkastenfirma sei, da sie nach eigenen Angaben mehr als 4000 Mitarbeitende an verschiedenen Standorten in der ganzen Welt beschäftigt, darunter auch im Zuger Handelshaus. «Sie wissen so gut wie wir, dass andere, viel grössere Rohstoffunternehmen, die selbst weltweit Rohstoffe abbauen, ihren Sitz in der Schweiz und insbesondere in Zug haben», wirbt Hans-Rudolf Wild um Verständnis. 

Wild ist ehemaliger Präsident der FDP der Stadt Zug und Partner bei der Zuger Anwaltskanzlei Schweiger Law. Es wäre ein Understatement zu sagen, dass die Kanzlei auf komplexe Strukturen spezialisiert ist. Nicht weniger als 284 Firmen sind unter ihrer Adresse domiziliert, manchmal auch direkt im Namen von Anwalt Wild. Schweiger Law ist 1976 vom FDP-Urgestein Rolf Schweiger gegründet worden; dieser sass von 1998 bis 2011 im Ständerat. Selbst die «Neue Zürcher Zeitung» bezeichnete das langjährige Mitglied des Vorstands von Economiesuisse als «stramm wirtschaftsliberal». 

Transparenz, Ehrlichkeit und gegenseitige Unterstützung: Auf der offiziellen Website von IMR Metallurgical sind einige ihrer wichtigsten Werte aufgeführt.

In der Schweiz unterliegen Rechtsanwält*innen, Notar*innen, Buchhalter*innen und Treuhänder*innen sowie Anbieter*innen von Dienstleistungen für Trusts und Gesellschaften nicht dem Geldwäschereigesetz (GwG), wenn sie bei der Gründung und Verwaltung von Gesellschaften beratend tätig sind. Einige dieser einschlägig bekannten Dienstleister bieten ihren Klient*innen eine Reihe von Services an, die von der Schaffung komplexer Strukturen zur Verschleierung der Geldströme und zur Wahrung der Anonymität der wirtschaftlich Berechtigten bis hin zur Eröffnung von Bankkonten und der Verwaltung von Vermögenswerten reichen. Einige Anwält*innen verteidigen sogar die von ihnen gegründeten und verwalteten Unternehmen vor Gericht.  

Rechtsanwalt Wild ist in der Stadt sehr gut vernetzt und betreut mehrere Mandate für die lokalen Behörden sowie die Korrespondenz von Immobilien- und Rohstoffunternehmen. Auf der Website seiner Kanzlei bezeichnet er sich selbst als Pragmatiker; von seinen Mandanten werde er geschätzt für seine «ausgeprägte Fähigkeit, Probleme zu identifizieren» und «seine Klienten lösungsorientiert zu beraten».

Es bleibt alles in der Familie

Da stellt sich die Frage, welches Problem wohl mit der Übertragung der Anteile an der Kohlemine auf die IMR Asia Holding einer «Lösung» zugeführt wurde. Der Zeichnungsberechtigte des Konzerns macht jedenfalls keine weitere Aussage dazu. Die IMR Holding in Zug ist mit ihren etwa 25 Tochtergesellschaften ausser in Indonesien auch in Indien, Mexiko und Kolumbien tätig. Damit kontrolliert die Holding einen grossen Teil der Wertschöpfungskette, einschliesslich Bergbau, Verarbeitung und Handel. Die Gruppe ist über ihre juristischen Personen an einer Vielzahl von Finanzplätzen vertreten, neben Zug und Singapur auch in Dubai und Peking.

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Ein Beweis dafür, dass trotz Verkauf alles in der Familie bleibt, ist das Stahlwerk, in dem ein Teil der Kohle von PT Borneo Prima verfeuert wird. Dieses befindet sich immer noch im Besitz der IMR Holding in Zug. Und die Website der Tochtergesellschaft IMR Metallurgical, die ebenfalls von Rechtsanwalt Wild präsidiert wird, listet die indonesische Mine immer noch als einen ihrer Aktivposten auf. Hinter diesem Gewirr von Unternehmen, die unter Holdings zusammengefasst sind, findet man immer wieder die Figur des Geschäftsmannes Anirudh Misra. Er ist unter anderem wirtschaftlich Berechtigter der IMR Holding in Zug und der IMR Holding Asia in Singapur und Vorsitzender der PT Borneo Prima, die die Kohlemine betreibt. 

Rechtsanwalt Hans-Rudolf Wild verwaltet die Unternehmen der IMR-Gruppe im Auftrag dieses 50-jährigen, ehemaligen Mitarbeiters der indischen Konzerns Tata Steel, der einen britischen Pass besitzt und mittlerweile in Irland ansässig ist. Anirudh Misra hat es sich nicht nehmen lassen, mit seinem früheren Arbeitgeber Tata Steel Geschäfte zu machen. In einer Mitteilung von 2018 über die Veräusserung einer juristischen Person machte die indische Tochtergesellschaft kein Geheimnis aus den Verbindungen zwischen den verschiedenen IMRs: «IMR Asia Holding Pte Ltd, die eine Gesellschaft der IMR Metallurgical Resources AG («IMR») ist, einem weltweiten Metallurgie- und Bergwerkskonzern mit Hauptsitz in der Schweiz». 

Ein erfolgreicher Influencer auf Instagram 

Auf Borneo hat sich die IMR Holding mit einer lokalen Gesellschaft namens Pacific Samudra Perkasa zusammengetan, die die andere Hälfte der Kohlemine besitzt (das restliche 1% befindet sich in den Händen eines lokalen Anwalts). Die Bewegungen innerhalb ihrer Aktionärsstruktur sind dort ebenfalls faszinierend. Nach dem Tod des Patriarchen Hery Gianto im Juni letzten Jahres, wurden seine Anteile nicht besonders gerecht zwischen seinen beiden Söhnen Hendrick (<99%) und dem ältesten Sohn Williem Hartono, der nur eine Aktie hält, aufgeteilt. 

Hendrick Hartono, der jetzt Direktor von Pacific Samudra Perkasa ist, bezeichnet sich beruflich als «Reise-Influencer». Bis wir unsere ersten Fragen an PT Borneo Prima richteten, war sein Instagram-Profil frei zugänglich. Der junge Mann in seinen Dreissigern produziert dort eine gepflegte Bildsprache und posiert mit glänzender Tolle vor dem Eiffelturm oder in grossen Palästen, zur Freude seiner etwa 172’000 Follower. Das Unternehmen des weitgereisten Influencers hingegen hat keinen Internetauftritt. Wozu auch? 

Reportage zum Kohlabbau Die schmutzigen Methoden eines Zuger Bergbaukonzerns auf Borneo